Der lange Weg zum Land Rover
10. September 2022Mit dem neuen Defender durch Süd-Schweden – Teil 2
1. Oktober 2022Anreise, Kyrkö Mosse und Norra Kvill Nationalpark
Unaufhörlich prasselt der Regen auf die dünne Zeltplane, die mittels einiger kurzer Äste wenige Zentimenter oberhalb unserer Gesichter aufgespannt ist. Eine endlos scheinende Abfolge kleiner Trommelschläge. Bereits seit Stunden liegen wir jetzt klamm und steif unter der Plane auf unseren dünnen Aluminium-Isomatten im Moos. Um uns herum die schwedische Wildnis ist schön, aber eben auch nass. Sehr nass. Von oben und von unten. Die eine Tafel Ritter Sport – Schokolade, die wir als Stimmungsaufheller für Notsituationen mitgenommen hatten, ist längst aufgebraucht. Eigentlich hatten wir ja überhaupt keine Zeltplane mitnehmen wollen, sondern wollten jede Nacht aus unseren Regenponchos einen provisorischen Schutz bauen, so richtig survivalmäßig eben. Zum Glück hatten wir uns in letzter Minute doch noch umentschieden. Und jetzt das.
Brrrr. Innerlich schüttelt es mich bei der Erinnerung an diese erste Schwedenreise, die ich vor gut 30 Jahren zusammen mit meinem Schulfreund Wieland unternommen hatte. 26 Stunden hatten wir letztendlich so verbracht, liegend unter dieser flach über dem Boden aufgespannten Plane im Rogen-Naturreservat nahe der norwegischen Grenze, bevor der Dauerregen endlich aufhörte. Aber es sollte damals ja ein hammerharter Survivaltrip werden. Klar.
Von dieser Idee sind wir diesmal weit entfernt. Gerade sitze ich warm und trocken am Steuer unseres Defenders in der Warteschlange vor den Tickethäuschen der Fähre von Fehmarn nach Dänemark und blinzele durch die Windschutzscheibe in die Sonne, die vom strahlend blauen Himme auf uns herunterscheint.
Jetzt soll es also ganz anders werden: nicht mehr alleine mit zwei kleinen Rucksäcken und Minimalausrüstung durch die Wildnis wandern. Von Survival ist keine Rede mehr. Eher schon von „Glamping“, wie mein Sohn Bastian es nennt – eine Vermengung der beiden Begriffe „Glamour“ und „Camping“. Schließlich sind wir beide jetzt mit unserem neuen Reisemobil unterwegs, dem Land Rover Defender, den wir seit einem halben Jahr besitzen und sukzessive mit Campingausrüstung ausgestattet haben (siehe auch hier). Und diese wollen wir jetzt zum ersten Mal einem ausführlichen Praxistest unterziehen. Und was liegt da (im wahrsten Sinne des Wortes) näher als Schweden, wo man aufgrund des sogenannten „Jedermannsrechtes“ frei in der Natur campen darf (mit Einschränkungen)?
Also haben wir uns an einem Sonntag im September auf den Weg gen Norden gemacht. Wir sind in Groningen gestartet, von wo aus wir noch unsere Tochter Fleur mitgenommen und unterwegs am Flughafen in Hamburg abgesetzt haben. Sie startete an diesem Wochenende zu einer dreimonatigen Backpacking-Tour mit einer Freundin durch Mexiko, Guatemala und Kolumbien – unser Reise-Gen hat auch sie ganz offensichtlich vererbt bekommen!
Und jetzt stehen wir also in Puttgarden am Fährhafen. Ich lenke den Defender im Schritt-Tempo vor das Fenster des Tickethäuschens, hinter dem der Angestellte der Schiffahrtslinie stirnrunzelnd zu dem Dachzeltaufbau auf unserem Gepäckträger hinaufsieht. Wie hoch denn das sei, will er wissen. Ich habe keine Ahnung. Das Zelt ist neu und ich habe schlichtweg vergessen, nachzumessen. Jetzt wäre eine falsche Angabe fatal. Vor meinem inneren Auge sehe (und höre) ich mich schon das Zelt bei der Auffahrt auf das Schiff mit einem hässlichen Geräusch an einer Deckentraverse abstreifen. Das wäre kein schöner Moment. Ich setze eine bedenkliche Miene auf, mache mit dem Daumen der rechten Hand eine vage Geste – und der Verkäufer weist uns seufzend die LKW-Spur zu. Ist wohl sicherer so.
Nach der Überfahrt durchqueren wir recht schnell Dänemark und fahren über die imposante Öresundbrücke von Kopenhagen nach Malmö. Und dann sind wir am Ziel: Südschweden. Unseren ersten Übernachtungsplatz finden wir nicht weit hinter Malmö im Wald an einem Seeufer. Ein idyllischer Platz mit einer schönen Feuerstelle, neben der wir den Defender abstellen und zum ersten Mal unser Dachzelt aufbauen. Es ist alles recht schön, aber so richtig will das Schweden-Gefühl noch nicht aufkommen. Irgendwie sieht alles noch allzu bekannt aus. Wenn wir so vom Buchenwald aus auf die Wasserfläche hinaus sehen, könnten wir eigentlich auch irgendwo in Schleswig-Holstein stehen, nur dass wir hier jetzt ganz legal unser Lager für eine Nacht aufschlagen dürfen. Und ganz alleine sind wir auch nicht, in einiger Entfernung stehen zwei VW-Busse, aus denen uns auch gleich ein sehr vertrautes „Moin, moin“ zugerufen wird. Eben. Eher so wie in Holstein.
Aber je weiter wir dann in den Norden fahren, umso mehr verändert sich auch die Landschaft. Die Besiedlung nimmt ab, die Wälder werden lichter, deren Bewuchs wechselt von Laub- zu Nadelbäumen und überall sieht man die typischen rot-weißen Holzhäuser, die mich immer an die Geschichten von Astrid Lindgrens „Michel aus Lönneberga“ erinnern (und die auch hier in der Gegend verfilmt wurden). Da kommt es dann doch auf, das Schweden-Gefühl auf. Wir cruisen mit dem Land Rover in moderater Geschwindigkeit (das Tempo ist auf Landstraßen auf 70 km/h begrenzt und wirklich überall lauern die Blitzer…) durch die weitläufige Landschaft, und ich bin froh, dass das neue Defender-Modell auch auf Straßen so überaus ruhig und angenehm zu fahren ist.
Die Reisezeit entpuppt sich als ideal: jetzt Mitte September sind die Schulferien vorbei, es ist Nachsaison und wir begegnen nur wenigen anderen Touristen. Es ist im weiteren Verlauf der Reise überhaupt kein Problem für uns, einsame Lagerplätze zu finden, ohne in einen Wohnmobilstau zu geraten. Außerdem ist auch von den Mücken und Wespen, vor denen in diversen Reiseartikeln und Erfahrungsberichten gewarnt wird, weit und breit nichts zu bemerken. Es ist zwar insgesamt schon etwas kühler, aber noch gut auszuhalten. Und der Regen beschränkt sich glücklicherweise auf die Nachtstunden (immerhin gut, um die Dichte des Dachzeltes auszutesten) und verzieht sich dann glücklicherweise zumeist schon pünktlich vor den Sonnenaufgängen.
Digitales Reisen
Wir hatten ja bereits auf unserer Weltreise eindrücklich festgestellt, dass auch beim Reisen heutzutage nichts mehr ohne Smartphone und Internet geht (siehe auch hier). Unsere Übernachtungsplätze auf dieser Reise finden wir mittels der Smartphone-App „Park4Night“. Diese ist nicht ganz unumstritten, leistet uns aber ganz ausgezeichnete Dienste. Wir wählen die Filter-Kategoprie, die Stellplätze „von Natur umgeben“ verspricht. Immer dann, wenn wir entscheiden, dass es Zeit für eine Übernachtung ist, lassen wir uns auf der Umgebungskarte die vorhandenen Stellplätze anzeigen und lesen ihre genaue Beschreibung und Bewertung durch andere Reisende. Wenn wir uns für einen Platz entschieden haben, geben wir die Position mittels Längen- und Breitengrad in unser Navigationsgerät ein und fahren dorthin. So einfach ist das.
Viele der Plätze sind so versteckt, dass wir sie ohne eine solche App niemals gefunden hätten. Und häufig genug sind die Anfahrten über Wald- und Feldwege auch so unwegsam, dass man sich nicht ohne Weiteres trauen würde, sie zu befahren. Ich bin in diesen Fällen jedenfalls doch ganz froh, mit einem Geländewagen unterwegs zu sein!
Glücklicherweise haben wir nahezu flächendeckend schnelles Internet auf dem Handy. Jedenfalls ich. Denn Bastian hat sich selbst für diese Reise ein „Digital-Detox“ auferlegt. D. h., dass er sein (sonst ja lebensnotwendiges) Handy in den Flugzeug-Modus versetzt hat und auf jegliche Nachrichten aus dem World Wide Web verzichtet. Es ist wohl auch so eine Art Selbsterfahrungs-Test für ihn. Ich bin gespannt, wie lange er das durchhält…
Das Internet ist im modernen Schweden sowieso überall präsent: so z. B. auch an der unbemannten Tankstelle, an der mir die Zapfsäule beim ersten Tanken auf ihrem Computerdisplay ganz selbstverständlich in fehlerlosem Deutsch anbietet, die Quittung per E-mail zuzuschicken. Danke. Muss nicht sein.
Kyrkö Mosse – die Auto-Apokalypse
Am dritten Tag auf unserem Weg in Richtung Norden kommen wir an einem sehr originellen „lost place“ vorbei: dem Autofriedhof „Billkyrkogarden Kyrkö moss“. Hier lagern im Wald verstreut über 350 alte verrostete Autowracks, die ursprünglich für Ersatzteile ausgeschlachtet und dann einfach liegengelassen wurden. Ein ehemaliger Torfbauer betrieb hier noch bis in die späten 80er Jahre aus seiner Waldhütte heraus die Teileverwertung, bevor er in ein Altersheim zog und die Oldtimerreste zurückließ.
Offenbar erkannten die lokalen Behörden eine Art kulturhistorischen Wert in den Wracks und stellten sie bis zum Jahr 2050 unter Schutz (bis dahin würden sie von alleine verrostet und verrottet sein, nahm man an.). Heute geben sie ein etwas bizarres Bild von Vergänglichheit ab – und sind ein wahres Eldorado für Fotografen!
Ich mache unzählige Fotos und kann mich von dem Anblick eigentlich kaum trennen. Aber schließlich ist der mittägliche Hunger stärker und wir kehren zum Parkplatz zurück, wo Bastian unseren kleinen Trangia-Kocher anschmeißt und auf dem kleinen Klapptisch an der Hecktür des Land Rovers eine Dose Knackwürstchen als Mittagsmahlzeit aufwärmt. Prompt werden wir von anderen holländischen Auto-Enthousiasten auf unser Fahrzeug angesprochen: „Is dit de nieuwe Defender?“ Noch sieht man das neue Modell nicht oft auf den Straßen, und so werden wir doch häufiger interessiert beäugt.
Norra Kvill Nationalpark – der Märchenwald
Und weiter führt uns der Weg nordwärts. Die Landschaft um uns herum wird eigentlich immer nur schöner, einsamer und ursprünglicher. Ungefähr auf der Höhe von Jönköping legen wir einen Stopp im Norra Kvill Nationalpark ein, einer von vier Nationalparks in der Provinz Småland.
Hier wurde der Wald seit mittlerweile 150 Jahren nicht mehr gerodet, und so hat sich ganz langsam schon so etwas wie eine Art Urwald gebildet. Manche der Kiefern, die hier den überwiegenden Teil der Bäume ausmachen, sind bereits über 350 Jahre alt.
Wir packen unseren Tagesrucksack mit Proviant und Regenjacken und machen eine Rundwanderung durch den Park, auf der wir nahezu alleine sind. Man fühlt sich gleich in einer Art Feenlandschaft mit mächtigen moosbewachsenen Felsblöcken, umgestürzten Baumleichen und zwei kleinen sehr idyllischen Waldseen. Ein wahrer „Höhepunkt“ der Wanderung ist die Besteigung des Berges Idhöjden, der zwar nur 230 m hoch aufragt, aber dennoch für eine schöne Aussicht gut ist.
Und apropos schöne Aussicht: weiter geht es im nächsten Teil unseres Schweden-Reiseberichts mit dem Store Mosse Nationalpark, den Danska Wasserfällen, und einem Fahrzeugtest am Mellbystrand. Seid gespannt! 🙂
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16 Comments
Ach Hartwig, wie wunderbar! Allerdings: Als ich die ersten Zeilen las, dachte „Ach, du Scheiße – wie damals bei dem Trip mit Willi.“ Gut, dass es dann doch auch „nur“ deine Erinnerungen waren. Ich hatte schon befürchtet, dass du völlig verrückt geworden seist und mit Bastian den gleichen Quatsch machen würdest … und fragte mich, wozu du dieses Raumschiff mit Dachterrasse überhaupt gekauft hättest. 🙂 Übrigens: Du solltest dich von Land****er bezahlen lassen, so viel Werbung wie du für den D****er machst ;-). Freue mich auf die Fortsetzung!
Nachdem, wie Land Rover den Lieferprozess verbockt hat, dürfen die mir jetzt zum Ausgleich sehr gerne ein paar kostenlose Anbauteile schicken!
Und „Raumschiff mit Dachterrasse“ ist übrigens sehr hübsch formuliert, das merke ich mir! 🙂
klasse Artikel!!!! Und das nächste Mal fahrt mal bis nach Lappland im Winter. Da fleigt euch die Mütze weg 🙂 https://offdoor.blogspot.com/2022/01/new-defender-discovering-lappland.html
Danke Dir! Dein schönes Video kenne ich natürlich schon! Und ja, wir planen nach diesem ersten Test eine längere Reise durch Skandinavien, allerdings eher im Sommer. Dann hoch bis zum Nordkap, etc., wir freuen uns!
Hey Ihr Lieben,
es ist so schön, mal wieder von Euch zu lesen! Jetzt fehlen mir nur noch ein paar Fotos, wo Ihr auch zu sehen seid.
Und ich frage mich, wann wohl die ersten Videos im Blog auftauchen…?!
Ganz liebe Grüße
von der arbeitenden Bevölkerung (Koni) 🙂
Hallo Koni,
die Fotos von uns kommen auf jeden Fall im nächsten Teil – und ja, ich habe unterwegs auch ein paar Videoaufnahmen gemacht. Das muss ich alles noch bearbeiten, aber auch da kommt noch was!
Mooi reisverslag en fijn om te lezen dat de defender zo goed bevalt.
Dankjewel! En ja tot nu toe gaat het heel goed met de auto, er zijn wel nog wat verbeterpuntjes aan de camping uitrusting, maar daar gaan we ook nog iets aan doen!
Macht ja wie früher wirklich alles Spaß, so toll im Detail geschrieben und bebildert zu sehen. Da auf der gleichen Höhe in Schweden war ich als Kind im Sommer auch mindestens 3x….
Danke, macht auch wirklich Spaß, wieder über’s Reise zu schreiben! Ich war ja zum ersten Mal in dieser Gegend und war echt angetan. Und von Kiel aus ist es ja eigentlich echt ein Katzensprung! Im Sommer wollen Hetty und ich dann nochmal für längere Zeit nach Skandinavien am liebsten bis hoch zu den Lofoten in Norwegen. Mal schauen, ob das alles so klappt, wie wir es uns vorstellen!
Jaaaa…endlich sind eure Reiseberichte wieder da!!
Es bereitet mir ein riesiges Vergnügen, wie du mich als Leser auf eurer Tour mitnimmst – als wäre ich mit dabei gewesen.
Ich freue mich jetzt schon auf die Fortsetzung!
Danke Dir, Claudia! Ich arbeite schon an Teil 2, der kommt bald und dann sicherlich auch noch eine Fotogallerie…
Weer leuk om te lezen, ben benieuwd naar het 2e deel!
Hallo Diana, dankje, ik ben bezig met deel 2, het komt eraan! 🙂
Hoi Hartwig,
echt een mooi reisverslag van jullie twee! Ik verheug me al op het vervolg
Ik wacht nog steeds op mijn (ook groene) Defender…..
Graag vaker zulke reisverslagen
Hoi Maria, ik moest ook eeeeerg lang wachten, maar nu is het ook erg leuk!! Dankje voor je feedback! 🙂