
Hardangervidda crossing
29. Juli 2025
Hardangervidda NP crossing
31. Juli 2025Natur, entzündete Füße, Flüsse und Eisfelder: Norwegen von seiner schönsten, aber auch seiner härtesten Seite!
Da stehe ich also nach sechs Tagen Wandern in der Hardangervidda, die Beine hochgelegt, Eis an den Füßen und Schmerzen bei jedem Schritt. Ich war beim Arzt, zum Glück ist nichts gebrochen, aber meine Füße sind stark gequetscht, entzündet und haben riesige, imposante Blasen. Wie konnte das passieren?


Fleur und ich stehen vor einem Fluss und überlegen, wie wir ihn überqueren können, ohne zu nass zu werden. Wir laufen am Ufer hin und her, aber es gibt keine gute Stelle zum Überqueren. Wir werden nass, also ziehen wir unsere Schuhe aus, schlüpfen in unsere Sandalen und los geht’s. Wir überqueren den reißenden Fluss einander an den Händen festhaltend. Wir schaffen es. Keine vier Minuten später ein weiterer Fluss. Ich rüber, Fleur zieht an mir, ein gewaltiger Krampf in meinem Bein, und wir brechen in Gelächter aus. Auch dieser Fluss liegt hinter uns. Meine Schuhe sind jetzt ganz nass und lösen sich langsam auf. Ich verliere sogar einzelne Teile. Hmm, nicht so toll.

Zu Hause in Groningen hatten wir noch überlegt, welche Schuhe ich anziehen sollte: meine guten alten Wanderschuhe oder meine neuen, leichteren Iowas. Ich entschied mich schließlich für meine alten Wanderschuhe, aber leider waren sie völlig abgenutzt. Vor allem, weil sie am ersten Tag total nass wurden (und meine Füße auch) und dadurch schnell kaputt gingen. Das passiert anscheinend öfter, denn auf jeder Hütte gibt es Klebeband – und zwar gutes Gorilla-Tape!
Wir waren in Norwegen wandern, von Finse nach Haukeliseter (Hardangervidda-Nationalpark). Fleur meinte, das sollte in sechs Tagen machbar sein: „Mama ist superfit und wir müssen nur zwischen 17 und 25 km pro Tag laufen!“ Das dachte ich auch.

Unser Zeitplan, das sind die Hütten:
Finse – Kraekkja 24 km
Kraekkja – Stigstuv 20 km
Stigstuv – Sandhaug 23 km
Sandhaug – Litlos 26 km
Liltos – Hellevassbu 17 km
Hellevassbu – Haukeliseter 21 km
Total: 131 km
Wir kamen mit dem Zug im Dorf Finse an, das auf einem der größten Gletscher Norwegens liegt. Es ist wirklich wunderschön und man kann es nur per Zug erreichen. Wir verbrachten dort die Nacht und begannen dann voller Vorfreude die Wanderung. Bald stießen wir auf die ersten Flüsse und Sumpfgebiete, was natürlich nicht angenehm war, aber wir machten weiter. An diesem Tag mussten wir 24 Kilometer laufen. Wir waren insgesamt 11 Stunden unterwegs und das Gelände war schwierig, voller Felsen, keine angenehmen Wanderwege wie in den Alpen.
Endlich, nach 11 Stunden, sahen wir die Hütte. Wir waren so glücklich, der schönste Moment des Tages! Meine Schuhe waren da schon kaputt, aber wir dachten, wir kleben sie zusammen, dann wird alles gut. Die Hütte war wunderschön und die Landschaft atemberaubend, aber wir waren erschöpft und hatten auch ein wenig Angst vor den nächsten Tagen. Denn wir hatten nicht damit gerechnet, dass es so anstrengend werden würde. Anspruchsvoll, aber machbar, dachten wir. Fleur hatte gesagt, es sei ein Plateau, aber leider war es ein Plateau mit Bergen, Tälern, Eisfeldern, Gletschern, Felsen, Flüssen, Sümpfen und so weiter!

Tag 2
Am zweiten Tag fingen meine Füße an zu schmerzen, ich konnte nicht mehr richtig laufen. Wir hatten den Schuh fachmännisch getaped, aber das Klebeband löste sich immer wieder, weil wir so oft Sümpfe und Flüsse durchqueren mussten.
Die Umgebung ist wunderschön: Schnee, Tundra, keine Bäume, atemberaubende Aussichten, rau, leer, und wir hatten fantastisches Wetter. Viel Sonne, obwohl am ersten Tag leichte Gewittergefahr bestand (beängstigend, was sollte man dann tun? Tipps: Stöcke wegwerfen, zusammenbleiben, Wasser meiden, nicht auf dem höchsten Punkt sitzen, sich nicht an Felsen festhalten, nicht weiterlaufen). Während wir dort waren, starb ein bekannter norwegischer Athlet bei einem Gewitter! Aber nach dem ersten Tag hatten wir nur noch fantastisches Wetter, mit nur ein wenig Regen am letzten Tag, aber das war es dann auch schon.

Tag 3 und 4
Ich ging immer langsamer und die Schmerzen wurden immer stärker. Fleur und ich vereinbarten, dass sie am nächsten Tag meine Schuhe anziehen würde und ich ihre neuen Wanderschuhe, sonst hätte ich nicht mithalten können. Jeder Kilometer fühlte sich an wie mindestens zehn, es war sehr hart. In einem Fuß hatte ich kaum noch Gleichgewichtsgefühl und musste bei jedem Schritt aufpassen, wo ich ihn hinsetzte – nicht einfach. Zum Glück gelang es mir mit Fleurs Hilfe, doch wieder viele Flüsse zu bezwingen.
Ein weiteres Problem ist, dass wir in Hütten schlafen, die Toiletten aber nicht in den Hütten selbst sondern draußen separiert sind. Ich konnte kaum noch laufen, und dann graut es einem vor jedem Toilettengang. Gar nicht angenehm!

Wie dem auch sei, wir begannen Tag 4, ich war fest in Fleurs Schuhen eingeschnürt, was ziemlich gut klappte. Ich hatte jetzt Halt und Stabilität. Fleur lief in meinen Schuhen, aber nach 4 Stunden hatte sie genug davon: „Ich ziehe meine Sandalen an, das hier ist unmöglich!“ Und die tapfere Fleur beendete den Rest der Wanderung in ihren Sandalen, also 2,5 Tage, ja, sogar durch große Eisfelder!
Tag 5 und 6

Es war heftig und schmerzhaft. Meine Füße wurden komplett eingewickelt bzw. getapet (von einem gutaussehenden Norweger) und anschließend fest in die Schuhe gesteckt. Eine Physiotherapeutin hat mir sogar ein paar Tipps gegeben. Alle waren super lieb und hilfsbereit.
Dann endlich die letzte Hütte, der schönste Moment des Tages! Aber leider, wie sollte es anders sein, ein sehr steiler Abstieg, nass und rutschig, weil es gerade geregnet hatte, und dann noch mindestens eine Stunde lang! Fleur stürzte, einfach vor Erschöpfung, aber zum Glück passierte nichts. Wir waren so froh, da zu sein! Erstmal duschen und dann die Pommes genießen!
Was wirklich lustig war: Floris‘ bester Freund Jules arbeitet hier, und da wir tagelang kein Internetempfang hatten, machten sich die Männer (zu Hause) große Sorgen um die Frauen in der Wildnis, ohne Kompass, mit wenig Orientierungssinn und in dem anspruchsvollen Gelände. Floris wusste von Jules, dass wir an diesem Tag ankommen würden, also war das zumindest beruhigend. Die Männer hatten die Route in der Familien-WhatsApp-Gruppe nachrecherchiert, und da stand auch „Code Rot“, eine schwierige Bergtour. Das hatten Fleur und ich nicht gesehen, ups!

Kurz gesagt: Fleur und ich sind unglaublich stolz auf uns! Wir haben es geschafft, die Natur genossen und nette und freundliche Menschen in den Hütten getroffen. Man kann so viel mehr, als man denkt. Fleur sagte irgendwann: „Mama, deine Füße schaffen das, es ist hauptsächlich der Kopf.“ Und das stimmt definitiv! WIR HABEN ES GESCHAFFT!
Alt kjaerlighet
Fleur en Hetty
Achtung: Die Nord-Süd-Überquerung der Hardangervidda-Hochebene gilt allgemein als sehr anspruchsvolle Route. Rechnen Sie in der Regel mit einer Wanderzeit von 7 bis 10 Tagen!

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5 Comments
Uiuiuiuiiui, ihr beiden, das liest sich noch dramatischer als Hettys Bericht am Telefon. Gut, dass ihr es geschafft habt. Und dass das Wetter einigermaßen gut war. Nun könnt ihr euch ja ein wenig in der Mühle ausruhen. Ja, IN der Mühle, denn hier ist das Wetter ziemlich grauslig. Ich freue mich auf euch! LG Uli
es war leider auch dramatisch….
Sehr schöner Bericht liebe Hetty, nach Deinem mündlichen Bericht nun hier ausführlicher und beeindruckend-ich kann es sooo nachvollziehen!! Gut, dass Ihr es überstanden habt, das wird Euch ewig in Erinnerung bleiben!!
Ich hoffe, es geht Deinen Füßen inzwischen besser!!? Viele liebe Grüße Gudrun
Danke für die super Behandlung. Es geht sehr langsam besser. Aber wie du immer sagt, es wird schön wieder und dass hoffe ich sehr. Viel spass in Graz!
jee Hetty, dat klinkt wel erg pittig allemaal! maar jullie hebben ondanks alles genoten begrijp ik. knap hoor! Nu lekker uitrusten in de molen. groetjes Diana!