Feliz Navidad!
24. Dezember 2019Fotogalerie Chile: Valparaiso – bunte Stadt am Meer
31. Dezember 2019Dieses Weihnachtsfest wird sicherlich als eines der denkwürdigsten in die Annalen unserer Familiengeschichte eingehen: Mit offenen Mündern stehen wir zu fünft auf der Terrasse unserer Airbnb-Wohnung und starren auf die gigantische dunkle Rauchwolke, die sich über Valparaiso ausbreitet, während von den Straßen der ohrenbetäubende Lärm von Alarmsirenen und Martinshörnern zu uns heraufdringt. Dann fällt der Strom aus. In der gesamten Stadt.
72 Stunden vorher: Hetty und ich erreichen mit dem Mietwagen Valparaiso, die 300.000-Einwohner-Küstenstadt gut 100 km westlich von Santiago. Hier wollen wir nach unserem Patagonien-Abenteuer zusammen mit unseren drei „Kindern“ (allesamt bereits junge Erwachsene) die Weihnachtsfeiertage verbringen. Wir sind sozusagen die Vorhut und wollen schonmal alle notwendigen Vorbereitungen für ein gelungenes Fest weit weg von zu Hause treffen. Hetty hat auf Airbnb eine wunderschöne Wohnung gefunden, gelegen in den Hügeln oberhalb der Stadt, mit genügend Platz für alle und einer großzügigen Terasse mit weitem Blick über Stadt und Hafen.
Nachdem wir die Wohnung übernommen haben, machen wir uns auf die Suche nach einem Supermarkt in der „Unterstadt“ unterhalb der Hügel am Hafen. Hier ist alles eine Spur schmuddeliger als in den bunten Vierteln oberhalb, und man sieht auch deutlich die Spuren, die die gewaltsamen Proteste der letzten Wochen hinterlassen haben. Viele Geschäfte sind mit großen Metallplatten verrammelt und einen ersten Supermarkt finden wir komplett ausgebrannt vor. Schließlich finden wir aber doch noch einen geöffneten Supermarkt, in dem wir mehrmals hintereinander unsere Rucksäcke mit Lebensmitteln für das Weihnachtsessen mit den Kindern füllen und diese jeweils die langen Treppen von der Unterstadt auf den Hügel zu unserer Wohnung schleppen.
Den nächsten Tag verbringen wir mit weiteren Vorbereitungen, sogar etwas Weihnachtsdekoration und einige Lebkuchenherzen treiben wir auf. Und dann holen wir die Kinder am 23. Dezember vom internationalen Flughafen in Santiago ab. Wir sind zugegebenermaßen ganz schön aufgeregt und hoffen, dass ja alles klappt. Am Arrivalgate müssen wir quälend lange warten, aber dann können wir Floris, Bastian und Fleur doch endlich in die Arme schließen. Welch eine Freude, alle nach fast vier Monaten wiederzusehen!
Dann kommt der Heilige Abend. Morgens hängt ein dichter Nebel über der Stadt, der sich aber zu Mittag auflöst und einem strahlend blauen Himmel Platz macht. Es ist T-Shirt- und kurze Hosen-Wetter, und nichts wirkt für uns so, als ob heute Weihnachten sei (jedenfalls nicht so, wie wir es gewohnt sind). Floris kämpft noch mit einer Grippe und bleibt in der Wohnung auf der Couch zurück, während Hetty, Fleur, Bastian und ich zu Mittag einen Spaziergang durch die reich mit Streetart verzierten Straßen der Hügelviertel von Valparaiso unternehmen (siehe Fotogalerie Valparaiso).
Als wir zurückkommen, finden wir uns alle fünf auf unserer Terasse zu einem Weihnachtskaffee zusammen, der dann in die Bescherung münden soll. Auch wenn die Kinder finden, dass es merkwürdig sei, bei vollem Tageslicht zu bescheren. Aber da es hier nunmal gerade Sommer ist, wird es auch erst spät am Abend dunkel.
Und während ich mir gerade eines der Lebkuchenherzen einverleibe, bemerke ich, wie sich am Horizont oberhalb der Hügel hinter einigen Häusern eine dunkle Rauchsäule entwickelt. Ich weise die anderen darauf hin und meine noch, da war wohl jemand unvorsichtig und hat seinen Weihnachtsbaum in Brand gesetzt. Aber dann wird die Rauchentwicklung immer stärker, und es bildet sich in kürzester Zeit eine riesige Rauchwolke über den Häusern auf den angrenzenden Hügeln. Das kann nicht mehr nur ein einzelner Weihnachtsbaum sein. Und dann sind auch schon ohrenbetäubende Alarmsirenen und kurz darauf die Martinshörner der ausrückenden Feuerwehr zu hören. Schnell bedeckt die Rauchwolke einen großen Teil des Himmels über der Stadt, und ich bin froh, dass der Wind sie nicht in unsere Richtung treibt. Innerhalb kürzester Zeit ist auch zu sehen, dass sich die Brandherde offenbar stark ausbreiten und eine massive Front von aufsteigendem dunklen Rauch hinter den Häusern am Horizont verursachen. Die Kinder zücken ihre Handys und recherchieren im Internet, dass offenbar direkt am Stadtrand ein Waldbrand ausgebrochen ist. Aber bevor wir Genaueres herausfinden können, fällt plötzlich der Strom aus und damit auch das W-Lan. Bastian und ich checken noch den Sicherungskasten der Wohnung, aber dann erscheint auf der Nebenterasse unsere chilenische Nachbarin und erklärt uns, dass der Strom im gesamten Stadtgebiet ausgefallen sei. Nirgendwo gibt es mehr Elektrizität.
Plötzlich schlagen alle unsere Handys im wahrsten Sinne des Wortes Alarm: nach einigen lauten Signaltönen erscheint auf den Displays eine Warnmeldung der chilenischen Behörden: aufgrund des Feuers müssen vier Wohnbezirke unverzüglich evakuiert werden. Wir suchen einen Stadtplan heraus, um festzustellen, ob unserer darunter ist. Zum Glück ist er es nicht.
Die Brandherde scheinen sich auch nicht in Richtung unserer Wohnung zu bewegen. Aber wie schnell breitet sich so ein Feuer in so einer Stadt wie Valparaiso aus? Wann ist der Zeitpunkt gekommen, die Sachen zu packen, ins Auto zu steigen und sie zu verlassen? Erst wenn der offizielle Aufruf zur Evakuierung auch für unser Stadtviertel kommt oder ist es dann schon zu spät, weil zehntausende gleichzeitig in ihre Autos springen und die Ausfallstraßen verstopfen?
Von unserer Terasse aus können wir sehen, wie der Brand aus der Luft bekämpft wird: mehrere Hubschrauber und Flugzeuge fliegen ohne Unterlass durch die dunklen Rauchschwaden und werfen Löschwasser ab. Trotzdem hüllt die Rauchwolke bald einen großen Teil der Stadt ein. Durch das Fernglas können wir irgendwann Häuser sehen, durch deren Dächer die Flammen schlagen. Die Bescherung verschieben wir erstmal und verfolgen unwohl die Entwicklung draußen.
Als die Rauchwolke über der Stadt sich zumindest nicht mehr zu vergrößern scheint, beschließen wir erstmal zu essen, bevor es stockdunkel wird (ohne Strom stünden uns maximal 4 Teelichter als Beleuchtung zur Verfügung). Hetty gelingt es noch, im Halbdunkel der Küche auf dem Gasherd ein köstliches 4-gängiges Weihnachtsessen zu zaubern. Aber beim Essen müssen wir an die Menschen denken, deren Häuser in diesem Augenblick ganz in der Nähe in Flammen stehen. Ein beklommenes Gefühl.
Die Nachspeise verschieben wir auf später und beobachten wieder das Feuer draußen. Auch wenn die Rauchwolke nicht kleiner geworden ist, scheint sich die Situation doch insgesamt zu stabilisieren. In der Dämmerung entdecken wir dann plötzlich sogar wieder funktionierende Straßenampeln. Dann auch leuchtende Straßenlaternen. Und dann gehen auch in unserer Wohnung wieder die Lichter an. Wir nehmen das als ein gutes Zeichen und beschließen, jetzt dann doch Weihnachten zu feiern. Es gibt eine kleine Bescherung (das große Geschenk für alle ist, dass wir Weihnachten hier zusammen verbringen können!) und Weihnachtsgrüße von zu Hause werden verlesen. Trotz allem auch ein besonderer Moment für uns.
Als ich später vor dem Schlafengehen die Tür zur Terasse verschließe, dringt beißender Brandgeruch herein. Ich bin glücklich und dankbar, dass es meiner Familie gut geht und denke an die vielen anderen da draußen, die gerade heute in der Weihnachtsnacht ihr Zuhause verloren haben.
Aktueller Bericht der Tagesschau (externer Link)
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7 Comments
Oh, Du meine Güte, kann bei Euch auch einmal etwas glatt gehen?
Das war ja wieder aufregend! Ich wünsche Euch, dass alles glatt geht und Ihr weiterhin vom Feuer verschont bleibt!
Euch noch schöne Feiertage und genießt die Zeit zusammen! Außerdem Floris: gute Besserung!!
Viele liebe Grüße Gudrun
jeetje.. heftig! Ondanks alles toch fijne dagen samen en hopen dat de rust mag terugkeren.
Goh, wat een toestand! Jullie maken wel wat mee.
Ik wens jullie nog een fijne kerst
Knap dat Hetty in een land als Chili nog een 4 gangen kerstdiner voor 5 mensen op tafel tovert
Mannomann! Ihr nehmt wirklich alles mit. Und wenn ich an eure nächsten Ziele denke, brennt es da auch auch gerade gewaltig. Vielleicht solltes ihr umdisponieren und doch lieber einen Monat Schwarzwald dazwischenschieben? So zur Erholung? Ich drücke die Daumen, dass ihr persönlich aber weiterhin von größerem Übel verschont bleibt. Gute Grüße von Uli – völlig festtagserschöpft.
Hallo ihr Weltenbummler!
Mir erscheint als würde euch die volle Realität der Welt bei dieser Reise nur all zu deutlich vor Augen geführt werden.
Haben Staaten mit gut funktionierendem System vielleicht doch öfter die Chance insgesamt von weniger Unruhen, Unglücken, offener Gewalt etc. betroffen zu sein und mit ihm die Menschen, die all dem mehr oder weniger hilflos ausgesetzt sind!?
In unserer westlichen, europäischen kleinen Oase, ergeht es uns doch zur Zeit wirklich im Großen und Ganzen prima und man braucht kaum Existenzängste jedweder Art zu fürchten, sofern man wie ihr etwas aus eurem Leben gemacht habt.
Trotzdem euch noch eine schöne Weihnachtszeit gehabt zu haben und mit Blick auf kommende Abenteuer, einfach das Glück alles weiterhin gut zu durchleben, verbunden mit unvergesslichen Eindrücken!
Hey familie, nou ja zeg, dat is een bijzondere en onverwachte belevenis erbij. Best angstig als je niet weet of dat vuurgeweld jouw kant op komt. En om aan tafel te zitten terwijl bij anderen dichtbij de keuken misschien wel in de fik staat.
Gelukkig goed afgelopen! Hebben jullie later nog de schade gezien?
Hoi Nicolien, nee geen schade. Was echt ver weg. De wind stond de andere kant op en kwam niet naar ons toe. Vanaf ons terras konden we alles wel goed volgen. Ze waren echt in de weer met watervliegtuigen en helicopters. We hebben toch nog een goede kerst gehad. Maar wel triest voor 150 families die hun huis kwijt zijn.