Das Dschungelgefühl – 4 Tage am Rio Madre de Dios
28. Oktober 2019Fotogalerie Bolivien: Sucre, die weiße Stadt
1. November 2019Irgendwie müssen wir feststellen, dass in allen südamerikanischen Ländern, die wir auf unserer Reise besuchen, politische Unruhen ausbrechen: während unseres Spanischkurses in Arequipa hat der peruanische Präsident den Kongress entmachtet und aufgelöst, weil dieser ihn in seinem Kampf gegen die Korruption blockiert hatte. Argentinien hat gerade einen neuen Präsidenten gewählt, der die soziale Situation im Land grundlegend verbessern soll. Aber die beiden Argentinier, mit denen wir den Inka-Trail gelaufen sind, meinten nur lakonisch, sie hätten lediglich die Wahl zwischen einem schlechten und einem noch schlechteren Präsidenten gehabt. In Chile sind gewalttätige Unruhen ausgebrochen, als der dortige Präsident vor kurzem die U-Bahn-Tarife erhöht hat und in Bolivien hält die Opposition das Wahlergebnis für gefälscht, das den bisherigen Präsidenten in seinem Amt bestätigt haben soll. All das führt zu einigem Aufruhr in diesen Ländern. Aber irgendwie glauben wir, uns als Touristen aus dem politischen Geschehen heraushalten zu können. Eine Einschätzung, die sich als nicht zu 100 % richtig herausstellen soll:
La Paz lag eigentlich nur so zufällig auf unserer Route, und wir wollten hier lediglich einen kleinen Zwischenstopp einlegen. Mit dem Bus aus Puno am Titicacasee kommend, waren wir zu Mittag angekommen und hatten gleich einen ersten Erkundungsspaziergang gemacht. Für den nächsten Tag hatten wir dann einen Ausflug mit der Kabelbahn zum „Valle de la luna“ geplant, einem kleinen Park mit interessanten Felsformationen im Außenbereich von La Paz. Am Abend sollte es dann mit dem Nachtbus weiter nach Sucre gehen.
Als wir am Morgen das Hotel verlassen, stellt Hetty erfreut fest, dass die Straßen ausgesprochen ruhig seien und kaum störender Verkehr vorhanden sei. Allerdings entdecken wir bald, dass das nicht auf einen Mangel an Autos zurückzuführen ist, sondern dass Demonstranten an jeder größeren Kreuzung Straßenssperren errichtet haben und lautstark ihren Unmut über die gerade abgehaltenen und in ihren Augen gefälschten Wahlen des Präsidenten zum Ausdruck bringen. Hoch gehaltene Plakate mit der Aufschrift „Democracia si – Dictadura no!“ sind auch für uns verständlich. Als wir den Paseo El Prado, die Hauptstraße der Stadt, erreichen, haben sich dort bereits größere Mengen von Demonstranten zusammengefunden, und an jeder Ecke stehen auch schon Gruppen von schwer bewaffneten Polizisten bereit. Anspannung liegt in der Luft, keinesfalls wollen wir da zwischen die Fronten geraten. Wir versuchen in Seitenstraßen auszuweichen und dem Geschehen aus dem Weg zu gehen. Aber auch dort ist fortwährend lautes Knallen zu hören, was wohl von den Demonstranten gezündete Feuerwerkskörper sind, die gleichzeitig aber sehr unschön an Gewehrschüsse erinnern und ein ungutes Gefühl auslösen.
Wir beschließen trotzdem mit der „Teleferico“ in Richtung Valle de la Luna zu fahren. Die Tickets sind unglaublich günstig und aus den Gondeln hat man eine herrliche Aussicht über die Stadt. Allerdings sehen wir von oben auch sehr gut, dass so gut wie der gesamte Verkehr in La Paz zum Erliegen gekommen ist. Die Demonstranten halten so gut wie jede Kreuzung besetzt. Das hat auch zur Folge, dass sich unser Vorhaben, von der Endstation der Kabelbahn mit einem Taxi zum Mondtal zu fahren, als undurchführbar erweist. Es fahren schlichtweg keine Taxen mehr. Also beschließen wir nach kurzem Umherwandern den Rückweg ins Hotel anzutreten.
An einer Station steigen zwei junge Bolivianerinnen in unsere Gondel, von denen eine eine bolivianische Flagge um ihre Schultern geschlungen hat und damit als oppositionelle Demonstrantin zu erkennen ist. Hetty spricht sie auf die Lage in der Stadt an. Sie bedauert die Unanehmlichkeiten für uns, meint zu gleich aber, dass sie jetzt für die Demokratie kämpfen müssten. Hetty erklärt sich sogleich solidarisch mit ihr. Als sie sich erkundigt, wie lange die Proteste denn wohl dauern würden und ob sie vielleicht schnell wieder vorbei sein würden, antwortet die Bolivianerin nur etwas vage „Things are going to be worse…“ Als sie aussteigt, ruft sie uns noch mit ernster Miene zu: „Be careful!“ So langsam wird uns dann doch mulmig zu mute.
Als wir zu unserem Hotel zurückkehren, sind aus den über die Straße gespannten Fahnen mittlerweile massive Straßenbarrikaden aus Müllcontainern geworden. Things are getting worse…
An der Rezeption erkundigen wir uns, ob es denn überhaupt noch möglich sei, heute Abend mit dem Taxi zum Busbahnhof zu fahren, und man erklärt uns, dass dies wohl aufgrund der Straßenblockaden nicht möglich sei. Also stellen wir uns auf einen längeren Fußmarsch mit Gepäck ein. Als wir uns dann allerdings nach dem Nachtbus erkundigen, der uns am Abend nach Sucre bringen soll, erklärt uns die junge Mitarbeiterin der Travel Agency, dass der Bus gecancelt sei. Kein Bus könne den Bahnhof verlassen. Und auch an den folgenden Tagen sei nicht sicher, ob die Busse wieder fahren würden. Das hatten wir schon befürchtet. Die Aussicht, in dieser angespannten Situation in La Paz festzusitzen, behagt uns nicht sehr. Eigentlich wollen wir nur noch so schnell wie möglich weg. Also fragen wir, ob es möglich sei, per Flugzeug aus der Stadt zu kommen. Ja, eine Flugverbindung gäbe es heute noch, aber sie müsse erst nachfragen, ob ein Taxi zum Flughafen durchkommen würde. Es findet sich ein Taxifahrer, er fordert aber einen Aufwandszuschlag, da er die Straßensperren umfahren müsse. Unwidersprochen gehen wir darauf ein.
Das Buchen des Fluges dauert ein wenig, aber dann sitzen wir zwei Stunden im später im Flugzeug nach Cochabamba, von wo aus uns dann ein weiterer Flug nach Sucre bringen soll. Allerdings gibt es auch dort Komplikationen. Die Straßenblockaden haben sich mittlerweile landesweit ausgebreitet, und nach mehrstündigem Warten und immer weiterem Verschieben der Abflugszeit teilt man uns mit, dass der Pilot und die Crew aufgrund der Sperren nicht zum Flughafen durchkommen. Einige Stunden später geht es dann aber überraschend doch noch los und gegen Mitternacht erreichen wir Sucre. Ein Umstand, der sich insofern als hilfreich erweist, als dass die Demonstranten die Straßensperren über Nacht vorübergehend aufgegeben haben und wir daher mit dem Taxi problemlos zu unserem Hotel durchkommen (lediglich einige verbrannte Autoreifen und Müllcontainer auf den Straßen zeugen davon, dass die Proteste auch hier stattfinden). Erschöpft und ziemlich ausgebrannt lassen wir uns am frühen Morgen in unsere Betten fallen. Immerhin, wir sind in Sucre. Wie es von hier aus weitergeht, wird sich zeigen.
Reuters Bericht zur Sitation in La Paz
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7 Comments
Das ist echt pech, dass genau jetzt so eine Unruhe in den Süd-Amerikanische Ländern, wo es vorher lange stabiel war, ausbricht! 😮 Aber ich habe grossen Respekt, dass ihr immer wieder Nachtbusse einplant 😀
Da bist du deinem ehemaligen Berufswunsch doch bedrohlich nahe gekommen … Zu nahe. Bleibt bloß vorsichtig! (Wäre auf Hettys Version der Geschichte gespannt. Du Tagesschau, sie Tomb Raider!)
:-))))))
Wat een gedoetje allemaal, zo maak je wel wat mee. Wees voorzichtig,
In Bolivien ist das fast normal.
Wie sind damals wegen Straßenblockaden von Uyuni aus nicht wie geplant nach Sucre gelangt. Statt dessen haben wir den Flieger nach La Paz genommen. Dort gab es gerade Blockaden wegen irgendwelcher Forderungen für den Sozialbereich, allerdings nur im Viertel um die Plaza de Armas.
Wir haben gehört, dass die Bolivianer das streik- und demonstrierfreudigste Volk der Welt seien.
Die Unruhen in Chile fand ich sehr erschreckend, vor allem das Maß der Gewalt, das von Militär ausgeübt wurde. Ansonsten hört man hier in Europa fast nichts von diesen Ereignissen in Südamerika, wenn man sich nicht aktiv dafür interessiert.
Wir wünschen euch eine sichere Weiterreise!
Liebe Grüße Gina
…doch – in der Tagesschau! 🙂
Ihr Lieben, passt gut auf Euch auf! Im Zweifel kontrollierter Rückzug! Wir sind gespannt, wie’s weitergeht – eine echte Realityserie, typisch Hati…! :-))
I can’t believe that just a couple of weeks after we went your experience was so different. I’m sorry to hear you couldn’t enjoy La Paz.